Apple und die Schlümpfe – Verantwortung abgeben leicht gemacht?

Dieser Beitrag mag einigen ein wenig seltsam vorkommen. Was mich an der Thematik konkret stört, weiß ich auch nicht genau. Der Hintergrund bzw. die Beweggründe der betreffenden Parteien beschäftigen mich jedoch, was mich letztlich zu diesem Text führt – auch wenn ich mir sicherlich den Unmut und die Verständnislosigkeit des einen oder anderen zuziehe. Aber vielleicht bin ich es auch, dem in diesem Punkt das Verständnis fehlt.

Ausgangspunkt meiner Gedanken war eine News, die gestern auf einigen einschlägigen Webseiten auftauchte. Es geht mal wieder um Apple und eine Klage. Normalerweise entlockt dieses Thema auch mir mittlerweile nur noch ein gelangweiltes Gähnen, scheint es doch an der Tagesordnung, das irgendwer Apple verklagt oder Apple irgendwen verklagt. Meistens geht es ja um Patentrechte, Geschmacksmuster oder Café-Logos, teilweise nachvollziehbar, oft aber auch recht abstrus. Die jüngste Klage – gegen Apple wohlgemerkt – hat allerdings vergleichsweise etwas ungewöhnliches, zumindest in meinen Augen, zur Grundlage.

Um was geht es genau? Um Apps, die Apple im Appstore zum Download anbietet und die innerhalb ihrer Nutzung mittels In-App-Käufen erweitert werden können. Unter In-App-Käufen versteht man das nachträgliche Kaufen verschiedener Inhalte innerhalb einer bereits gedownloadeten App. Meistens wird die Grund-App kostenfrei angeboten und kann dann durch einen solchen In-App-Kauf erweitert sein. Manchmal kann man dadurch eine in ihrer Nutzung eingeschränkte Test-App auf die Vollversion erweitern oder verschiedene, teilweise spielrelevante, Items und Gegenstände dazukaufen. Die Berechnung dieser Zusatzkäufe erfolgt über die im Appstore hinterlegte Zahlungsart, bei Apple üblicherweise eine Kreditkarte und ist meist innerhalb einer App auch ohne zusätzliches Passwort möglich.

Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer. EInige Eltern aus dem amerikanischen Bundesstaat Kalifornien haben gegen Apple genau wegen dieser In-App-Käufe eine Klage eingereicht. Sie geben an, dass Apple mit Apps, die derartige Zusatzkäufe nutzen oder zur Grundlage haben, gezielt auf Kinder und deren Leichtsinn abzielt und diese dadurch zur reinen Kostenfalle werden. Als Beispiel wird das Spiel „Smurfs Village“, also das Dorf der Schlümpfe, angebracht, welches anscheinend zu einem großen Teil auf diesen Käufen basiert. Zugegeben, das Spiel selbst ist schon durch seine Thematik auf Kinder ausgerichtet und stellt natürlich auch optisch einen Reiz für diese Altersklassen dar. Einige Eltern scheinen durch das leichtsinnige Klicken und kaufen ihrer Kinder Kosten in Höhe von über 100 Dollar entstanden zu sein.

Ja, das ist ein Haufen Geld und für eine App richtig heftig, aber kann man die Schuld dafür wirklich Apple und der Tatsache, das das Unternehmen derartige Apps im Appstore anbietet, zuschieben? Haben nicht viel mehr die Eltern die Hauptschuld, weil sie ihren Kindern ihr iPhone oder iPad in die Hand drücken, es damit anstellen lassen, was sie wollen und sich dann wundern, das es etwas schief geht?

Als Argument wird neben der auf kinder ausgerichteten Thematik und Optik auch angebracht, dass das Spiel in höherem Grade süchtig mache und deshalb die Käufe quasi herausfordere. Das sind natürlich Aussagen, die mir immer wieder die Zornesröte ins Gesicht treiben. Ich bin selber Gamer, Zocker, Kellerkind oder wie man es auch immer nennen mag. Ich zocke seit Jahren, mehr oder minder exzessiv und auch in meinem Leben gab es schon Spiele, die mich regelrecht gefesselt haben. Aber noch nie gab es ein Spiel, das mich so geflasht hat, dass ich ohne Sinn und Verstand massig Geld in die Erweiterung gesteckt habe, nur um im Spiel voran zu kommen. Da müsste mir ein Fuß fehlen…. Ob man von einem Spiel so süchtig werden kann, dass man sein Handeln in diesem Zusammenhang nicht mehr kontrollieren kann, bezweifle ich eh. Ich empfinde derartiges eher als Ausrede und Rechtfertigung für etwas, bei dem man ganz genau wusste, was man tut, nun aber eine Erklärung für die meist wenig verständnisvolle Umwelt sucht. Es stößt nun mal auf mehr Verständnis, wenn man sagt „Das Spiel hat mich süchtig gemacht, ich kann da nix dafür“ als wenn man mit „Ja, ich wusste, was ich tue und es war geil“ argumentiert. Dieses Vorgehen ist ja auch oft bei Straftätern zu verfolgen…

Der Handy-Hype begann bei mir zu einer Zeit als ich bereits gut und gerne 13 oder 14 Jahre alt war, also in einem Alter, in dem man eine gewisse geistige Reife und durchdachtes Handeln voraussetzt. Heutzutage wachsen schon die ganz kleinen mit Smartphone, Tablet und PC heran und können das Handy meist eher bedienen als sie zählen lernen – oft in dem Alter schon besser als Mama und Papa. Aber bedienen können ist ja nicht das gleiche wie Risiken und Folgen überblicken zu können. Und hier sind in meinen Augen die Eltern gefragt. Wenn ich meinem Kind mein iPad in die Hand drücke und es damit hantieren lassen, ohne zu kontrollieren, was es damit anstellt, laufe ich natürlich Gefahr, dass es etwas tut, was sich negativ für mich auswirkt. Und in der Regel ist negativ ja mit Kosten verbunden. Als Elternteil sollte man sich also vorrangig fragen, ob das Kind schon in der Lage ist, selbstständig am Tablet zu sitzen oder ob ab und an ein prüfender Blick nicht doch der bessere ist. Pädagogisch wertvoller ist es eh, zusammen etwas zu spielen, auch auf dem iPad, als das Kind allein mit dem Tablet zu beschäftigen, aber das steht wieder auf einem anderen Blatt…

Eine weitere Frage, die sich mir stellt, ist die, wie das Spiel – in diesem Fall ja „Smurf Village“ – eigentlich auf das Gerät kommt. Installationen ohne die Eingabe eine Passwortes sind bei den mobilen Apple-Geräten ja nicht möglich. Es gibt also nur drei Möglichkeiten:

  1. Ich installiere als Elternteil das Spiel, damit es mein Kind spielen kann
  2. Ich gebe meinem Kind das Passwort, damit es sich Apps installieren kann
  3. Mein Kind ist clever genug, mein Passwort zu erraten

In allen drei Fällen sehe ich eigentlich keine Schuld bei Apple 😀 Sondern wenn dann höchstens bei mir oder dem, was ich meinem Kind zutrauen kann.
Zudem sollte ein Kind ab einem gewissen Alter wissen, was ein Euro- oder Dollarzeichen hinter einer Zahl bedeutet, zum anderen sollten Kinder, die das noch nicht können, eigentlich nicht unbeaufsichtigt an einem iPad oder iPhone herumspielen. Alles andere ist für dämlich und für mich nicht nachvollziehbar.

Natürlich können Kids ab einem gewissen Alter getrost allein am iPad werkeln, aber dann sollte man ihnen entweder gar nicht erst das eigene Passwort verraten, es so gut wählen, dass sie nicht von allein drauf kommen oder genau hinschauen, was man seinem Kind da installiert. Und seien wir ehrlich, es steht ja nun auch in der Appbeschreibung, was da wie innerhalb der App ggf. zusätzlich Geld kostet.

Die Schuld jetzt Apple in die Schuhe zu schieben und jedwede Eigenverantwortung abzuwälzen halte ich zumindest für ziemlich fragwürdig. Wie sollen Kindern eigenverantwortliches Handeln lernen, wenn selbst ihre Eltern nicht in der Lage sind, zu erkennen, wann sie selbst Mist gebaut haben und kein anderer.

Vielleicht sehe ich das ganze auch viel zu eng, das will ich nicht ausschließen. Aber diese Klage ist für mich ein weiterer Hinweis darauf, dass wir uns immer mehr auf andere und vor allem darauf verlassen, dass Dritte uns vor Schaden bewahren oder und unliebsame Dinge abnehmen. Das eigene Denken, Handeln und Risiken abwägen scheint zumindest in meinen Augen immer mehr nachzulassen und bei vielen Menschen vom Vertrauen darauf abgelöst zu werden, dass es schon jemanden gibt, der einem sagt, was man darf und was nicht. Das fängt im Handyladen an, in dem man sich darauf verlässt, dass der nette Verkäufer einem schon sagt, dass das neue Smartphone automatisch ins Internet geht – auch dann, wenn der gar nichts davon weiß, dass man sich ein neues Handy zugelegt hat. Andere verlassen sich darauf, das in der Bedienungsanleitung der neuen Mikrowelle steht, dass man Minka und Bello nicht zum Trocknen auf 200 Watt einstellt. Und wieder andere verlassen sich drauf, das der Spurhaltesassistent dafür sorgt, das man im Wohnmobil mal schnell das Lenkrad verlassen und sich hinten einen Kaffee machen kann – immerhin hat einen keiner darauf hingewiesen, dass Spur halten wirklich nur Spur halten heißt und nicht selbstständig fahren. Statt nachzudenken, wird sich darauf verlassen, dass alles, was nicht irgendwo offiziell ausgeschlossen oder verboten ist oder was einem keiner explizit gesagt hat, automatisch funktioniert oder eben einfach möglich ist. Oft ja Dinge, bei denen jeder normaldenkende Mensch die Hände vor dem Gesicht zusammenschlägt und es als logisch erachtet. Ist das Kind dann in den Brunnen gefallen, wird die Schuld jedoch abgewälzt und ein anderer Schuldige ausgemacht. Nur nicht man selber, es hat einem ja keiner gesagt, dass der Minka die Mikrowelle nicht so gut tut..

Das Beispiel Apple zeigt aktuell nur eine andere bzw. neue Dimension dessen, was im Kleinen auch im Alltag immer mehr Einzug hält. Wir wollen in jeder Lebenslage frei und selbstbestimmt sein, alle Entscheidungen selbst und ohne Bevormundung treffen, verlassen uns aber in vielerei Hinsicht selbst in den logischsten Situationen zu stark auf andere und darauf, dass sie uns schon sagen, dass das nicht geht. Und wenn sie nichts sagen, dann muss es ja gehen – und wenn nicht, dann sind die Schuld…

Aber zurück zum eigentlichen Thema. Man mag von Apple halten was man will und ich bin sicher niemand, der alles Handeln und Tun Apples untzerstützt und gut heißt, aber in diesem Fall erschreckt mit das vernunftresistente und alle Verantwortung abwälzende Handeln der klagenden Eltern schon ein wenig.

Was sagt ihr dazu? Sehe ich das ganze zu eng und eindimensional? Wie würdet ihr als betroffene Eltern reagieren?

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5 Kommentare zu „Apple und die Schlümpfe – Verantwortung abgeben leicht gemacht?“

  1. Ich finde, es kommt doch darauf an, wie einfach es den Kindern gemacht wurde, den Bezahlvorgang auszuführen. Ist es, wie beim Online Shopping -> In den Warenkorb, Warenkorb überprüfen, Zur Kasse und dann Bestellung bestätigen, dann gebe ich dir voll und ganz Recht. Aber was ist, wenn es so wie es mir schon mit einer In-App-Werbung passiert ist, wenn ein Klick bzw. bei Smartphones und Pads schon ein Fingertip ausreicht. Die Kinder dieses also gar nicht als Kauf erkennen. Dann ist es meine Meinung nach schon vom App Entwickler so gewollt und da Apple ja unbedingt die komplette Kontrolle behalten will, muss Apple dann auch die Verantwortung übernehmen.

    1. Da hast du natürlich recht. Obwohl bei meinen Inapp-Käufen bisher immer mindestens noch einmal bestätigt werden musste, dass man den Kauf wirklich zu Preis x tätigen möchte. „Einfach so“, nur durch einen Klick, war das zumindest in meinen Fällen nicht möglich, aber ich weiß natürlich nicht, wie das in den USA ist…

  2. Ich muss Dirk recht geben. Meine Kiddies spielen auch öfter mal mit unseren Handys oder Tablets. Und gerade bei Apps für Kinder finde ich es vermessen Werbung einzublenden. Wenn eine App für Kinder taugt, kaufe ich diese und brauche da keine Werbung. Aber selbst in bezahlten Versionen findet man öfter noch Werbung. Wie oft tippt da mein Kleinster drauf, weil das so schön bunt ist und blinkt.

    Natürlich muss man als Eltern Vorsorge treffen und alle möglichen Hürden einbauen, damit Filius nicht alles selber kaufen kann. Aber das muss man halt erst einmal wissen. Da sind viele schon überfordert, weil es nicht immer leicht zu finden ist (wenn es denn so Sperren im Gerät überhaupt gibt) oder wie man es selber hinbekommt.

    Da müssten sich die Appentwickler ma Gedanken machen und auch die Hersteller. Nur wenn alle drei Glieder der Kette funktionieren und sich verstehen, kann das was werden.

  3. EIn äusserst komplexes und schwieriges Thema, respektive viele komplexe Themen ineinander verschachtelt, aber ich versuche Deinem Wunsch nach meiner Meinung gerecht zu werden.

    Ich stimme absolut zu, dass in erster Linie die Eltern dafür verantwortlich sind, was aus ihren Kindenr wird, was sie tun können und dürfen, und wie sie sich verhalten. Auch wenn es heute im Trend liegt, dass Eltern immer mehr versuchen die (verpasste?) Verantwortung auf andere abzuwälzen. Ich habe einige Lehrer im Bekanntenkreis. Was ich da so höre erstaunt mich manchmal sehr. Immer mehr werden die Schule und die Lehrer verantwortlich gemacht für eigentlich fehlende Erziehung durch die Eltern. Der Volkssport heisst auch in andern Bereichen schon lange: wir suchen für alles den Schuldigen, nur nie bei uns selbst. Das fängt im ganz Kleinen im Privatleben an, und hört im weltpolitischen Geschehen auf.

    Nun wissen wir, dass Suchtphänomene wie Rauchen, Trinken, aber auch Spielsucht ihren Ursprung fast immer in der Kindheit haben. Mangelnde Liebe, Zuneigung, und Anerkennug durch die Eltern führen zu krankhafter Selbstbelohnungsstrategie. Mangelnde Anerkennung kann die Ursache für Spielsucht sein, das immer wieder zeigen müssen, dass man doch besser ist als die andern, weil man von den Eltern zu wenig gelobt und belohnt wurde wenn man etwas erreicht hat.

    Ob es nun moralisch verwerflich ist wenn Firmen ganz gezielt mit solchen Suchterscheinungen versuchen Geld zu machen möchte ich hier nicht diskutieren. Tatsache ist, es wird gemacht. Ich selbst habe den Wandel eines Gratis-Browsergames zum Teil-Bezahlspiel miterlebt, wo man sich plötzlich mit Geld gewisse Vorteile erkaufen konnte. Es ist nicht nur Apple, es sind heute fast alle Spieleanbieter die so funktionieren. Und praktisch alle erarbeiten sich so einen Grundstock an „Süchtigen“, von denen sie effektiv leben. So gesehen sehe ich die Klage gegen Apple nur als Präzedenzfall für eine ganze Branche.

    Die Frage, ob man einem Anbieter Schuld zuweisen kann stellt sich bei mir in erster Linie beim Bezahlvorgang. Wenn dieser sagen wir mal bewusst „kinderleicht“ gemacht wird, kann man dem Anbieter bestimmt zumindest moralisch verwerfliches Handeln vorwerfen. Wenn aber Eltern ihren Kindern Passwörter geben, Zugänge zu Kreditkartendaten und Zahlungen eröglichen, dann liegt das Problem wohl eher auf Seite der Eltern. Denn wer kein Geld hat, oder keinen Zugriff darauf, der kann auch nichts kaufen, selbst wenn er noch wolte.

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