Körperfettwaagen taugen nix – ein erschreckender Selbstversuch

Vor einiger Zeit habe ich mich mit dem Gedanken befasst auch beim Thema Waage smart zu werden. Nicht nur das Gewicht sollte per App erfasst werden, sondern auch noch Daten wie der Fettgehalt, Muskelmasse, Wasser usw. Es musste also eine dieser modernen Körperfettwaagen, oder auch Körperanalysewaage genannt, her. Aber welche kaufen? Am Ende habe ich drei Stück gekauft und gegeneinander getestet. Nach nunmehr 4 Wochen bin ich durch zahlreiche Messungen zum Schluss gekommen, dass die allesamt nix taugen. Und hier lest ihr warum.


Es ist unheimlich verlockend alles über sich zu erfahren. Gerade für Sportler oder Diätwillige wollen gerne ihre Fortschritte sehen und ggf. speichern. Das soll mit den Körperfettwaagen möglich sein. Die Waage erkennt einen automatisch und innerhalb kürzester Zeit hat man alle Daten im Smartphone zur weiteren Auswertung. Allen Waagen mit Körperanalysefunktion besitzen mehrere metallische Elektroden, auf die man sich barfuß drauf stellt. Die Messung erfolgt durch die Bioelektrische Impedanzanalyse (BIA). Vereinfacht gesagt wird dabei ein schwacher Strom von 0,8 mA über die Elektroden durch den Körper geschickt. Je nachdem wie viel Fett, Wasser, Muskelmasse usw. die Person besitzt, verändert sich der Widerstand, da Muskelmasse und Körperfett den Strom unterschiedlich stark leiten. Die Waage bzw. die App rechnet die Messwerte um und zeigt diese an. Eine Tabelle mit brauchbaren Werten ist auf Wikipedia zu finden. Aber auch hier variieren die Vorgaben sehr stark. Ich bin männlich und 45 Jahre alt. Eine Quelle nennt für mich einen Fettgehalt von 21% als normal, eine andere nur 17% und spricht bei 21% schon von Übergewicht. Auch nicht ganz unwichtig ist die Tatsache, dass die allermeisten Körperanalysewaagen im Handel sogenannte Fuß-zu-Fuß-Geräte sind. Die Elektroden befinden sich auf der Waage, also unter den Füßen und messen somit nur die untere Körperhälfte. Wer die Werte für die obere Körperhälfte haben will, der muss ein Hand-zu-Hand Modell kaufen. Das wusste ich vorher auch nicht, denn diese wichtige Info findet man bei keiner Waage.


So weit die Theorie. Für den Test habe ich mir dann die Medisana BS 444 connect (Testbericht), die 1byone Smarte Digitale Körperfettwaage (Testbericht) und die brandneue Xiaomi Mi Body Fat Smart Scale 2 aka Mi Smart Scale 2 (Testbericht) gekauft. Sie kosten alle zwischen 25 € und 50 €. Vier Wochen lang habe ich mich immer mit allen drei Waagen gewogen und die Werte miteinander verglichen. Um die Waagen vergleichbar zu machen, habe ich alle drei nebeneinander auf den Fliesenboden im Bad gestellt und mich nacheinander mit allen drei gewogen. Immer morgens direkt nach dem Aufstehen nur in Unterhose und gleicher Position. Somit müssten die Werte absolut identisch sein. Am letzten Tag habe ich dann bei easylife in Aschaffenburg eine professionelle Messung auf einer geeichten Profi-Körperanalysewaage Tanita BC-420MA durchführen lassen.

Hier mal die Werte beider Waagen ermittelt am 02. Mai 2017

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Wie man hier schon sieht, kann man es sich eigentlich aussuchen, welche Waage die schöneren Werte liefert. Zwar liefert die Medisana auf  den ersten Blick die annähernd gleichen Werte wie die Profiwaage, aber eben nur bei einer Messung von mehreren. Die Werte differieren nicht nur um ein paar hundert Gramm sondern teilweise Kilogramm. Alleine diese Tatsache ich schon schockierend aber nicht wirklich neu. Es ist ja nicht neu, dass man bei mehreren Messungen hintereinander verschiedene Werte bekommt, aber bei der Medisana ist das zu extrem mit den Abweichungen. Drei Messungen direkt hintereinander ergaben Werte von 91,2 bis 96,8 kg. Und das innerhalb von 2 Minuten. Ein schlechter Scherz, denn ich habe mich dabei weder bewegt noch anders hingestellt. Wiegt man sich am nächsten Tag erneut, gab es Gewichtsschwankungen von bis zu 2 kg. Ich glaube kaum, dass man über Nacht mal eben 2 kg zu- oder abnimmt.

Bei Amazon bin ich auf eine Rezension gestoßen, in der sich jemand mal eher aus Spaß mit einer Hantel auf so eine Waage gestellt hat. Jetzt ist so eine Hantel zwar aus Eisen, hat aber keinerlei Fettgehalt, kein Wasser oder Muskel. Bis auf das Gewicht dürften sich die Anzeigen ja nicht verändert. Neugierig wie ich bin, habe ich das auch probiert. Da ich keine schweren Hanteln habe, musste eine Propangasflasche mit 11,3 kg Gewicht dafür herhalten. 

Meine Werte an diesem morgen:

  • Medisana BS 444 Connect ohne Zusatzgewicht: 94,5 kg bei 18,4% Körperfett und 55,0% Körperwasser
  • Medisana BS 444 Connect mit Zusatzgewicht: 108,1 kg (+13,6 kg) bei 22,7% (+4,3%) Körperfett und 66,3% (+11,3%) Körperwasser
  • 1byone ohne Zusatzgewicht: 94,9 kg bei 27,0% Körperfett und 50,1% Körperwasser
  • 1byone mit Zusatzgewicht: 107,0 kg (+12,1 kg) bei 31,5% (+4,5%) Körperfett und 48,9%(-1,2%) Körperwasser
  • Xiaomi Mi Scale 2 ohne Zusatzgewicht: 94,9 kg bei 26,8% Körperfett und 50,1% Körperwasser
  • Xiaomi Mi Scale 2 mit Zusatzgewicht: 105,6 kg (+10,7 kg) bei 33,5% (+6,7%) Körperfett und 54,1%(+4%) Körperwasser

Es zeigt ziemlich eindeutig, dass die Waagen ihre Werte nicht wirklich ausmessen, sondern wohl nur aus dem Gewicht, dem Alter und Geschlecht irgendwelche Werte aus Tabellen nehmen anstatt korrekt auszumessen. Denn egal was ich als zusätzliches Gewicht bei mir habe. Milchpackungen, eben die Propangasflasche oder was auch immer. Das Gewicht steigt logischerweise an. Zwar übertreibt es die Medisana hierbei auch wieder maßlos und macht das Zusatzgewicht 2,6 kg schwerer als es in Wahrheit ist, aber die Werte für das Fett, Wasser und Muskelmasse dürfen sich nicht ändern, was sie aber nachweislich tun. Damit sind diese Werte allesamt unbrauchbar.

Fazit:

Mag sein, dass es andere, erheblich teurere, Waagen besser machen, aber ich bin nicht bereit dafür einen dreistelligen Betrag auszugeben, nur um festzustellen, dass die genauso unzuverlässig sind. Und genau das vermute ich. Zudem habe ich mir bei Amazon eine stinknormale Soehnle SilverSense 61350* gekauft und diesen KTX7 Caliper* für 5,99 €. Mit diesem ermittelte Werte lasse mir auf dieser Internetseite umrechnen. Ob das besser ist, bleibt abzuwarten. Und weil meine smarten Waagen allesamt derart verschiedene Werte anzeigen und sich durch den simplen Trick mit dem fettfreien Zusatzgewicht überlisten lassen, habe ich alle Waagen abgewertet und am Ende verkauft.

     

Über eine PayPal- oder Flattr Spende, oder einem Kauf über einen mit einem * gekennzeichneten Link unterstützt ihr mobi-test.de, da ich einen kleinen Prozentsatz des Bestellwertes erhalte, um so weitere Testobjekte zu kaufen. Ich bedanke mich schon mal im voraus für eure Unterstützung.

Peter W.

4 Kommentare zu „Körperfettwaagen taugen nix – ein erschreckender Selbstversuch“

  1. ich finde es nicht verwunderlich, wenn sich mit zusatzgewicht die prozentwerte unterscheiden. Das ganze wird ja elektrisch gemessen und beeinflusst die Werte halt je nach leitfähigkeit. Schlimmer ist, wenn die Waagen bei Messungen nacheinander unterschiedliche Werte anzeigen. Bei meiner Waage habe ich die Erfahrung gemacht, dass der Untergrund entscheidend ist.

    1. Das mit dem Untergrund schreibe ich bei den Einzeltests immer dazu. Am besten ein glatter Fliesenboden und man sollte die Waage auch nicht auf die Fugen stellen. Teppiche oder auch eine minimale Schräglage der Waage sorgen für falsche Angaben.

      Gruß
      Peter

  2. Ich finde es gut, dass du solche tests machst. Vielen Dank dafür. Allerdings hast du Denkfehler und die ganze Sache nicht verstanden. Wenn du eine Hantel nimmst, dann wird sich das Gewicht natürlich erhöhen. Die Menge an Körperfett, Muskel und Wasser bleibt natürlich gleich, aber die Waage zeigt keine absoluten Werte sondern Prozente an. Diese müssten alle weniger werden, da du mit Hantel „prozentuell“ weniger Muskel, Fett und Wasser hast. Das heißt, dein Argument, dass sich diese Werte nicht ändern dürften, ist falsch. Das ganze ist aber sowieso hinfällig, weil die Waage die Hantel nicht messen kann. Sie misst die Impedanz deines Körpers und auch nur die deiner Beine. Du kannst soviel Hanteln tragen wie du willst, das kann sie nie messen. Auch merkt sie keinen Unterschied, ob du über der Gürtellinie fett oder Muskulatur zulegst, weil der Strom dort oben nicht fließt. Daher wird eine Frau, die ihr Fett eher in den Oberschenkeln hat bei gleichem Gewicht und gleichem realen Fettanteil wie ein Mann, der sein Fett eher am Bauch hat, andere Werte erhalten. Alles was die Waage bei deiner Hantel oder Propanglasche merkt ist, dass du bei höherem Gewicht die gleiche impedanz hast. Daraus schliesst sie, dass du einen höheren Fettanteil haben musst, was auch korrekt ist. Dass du mit der Hantel bescheißt, kann die Waage nicht wissen und auch nicht messen. Nur so als kleine Ergänzung und Korrektur zu deinen Ausführungen. Aber trotzdem danke für deine Mühe!

  3. Ich habe bisher zwei Nokia/Withings-Waagen gehabt, die bei mehrmaligem
    Wiegen direkt hintereinander höchstens (selten) mal um 0,1kg schwanken, was ich auf das Auf- oder Abrunden von Zwischenwerten schiebe. Vom einen auf den anderen Tag können es schon eher mal 0,2kg mehr oder weniger sein, aber das kann ohne weiteres ein unterschiedlicher Wassergehalt oder ein unverdauter Mageninhalt sein. Da scheint es also irgendwo eine Preisgrenze zu geben, unterhalb der die Messgenauigkeit stark abnimmt. Die weiteren Messungen von Körperfettanteil und Wassergehalt schätze ich bei Nokia/Withings aber genauso aus der Luft gegriffen ein, da sie ja auf der gleichen Technik basieren.

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