Im Test habe ich das ANC Headset Sony WH-CH720N, welches mit einem Preis von knapp 120 Euro höchst interessant ist, denn es bietet Multipoint und ANC. Aber ist es wirklich eine Empfehlung?
Es braucht Nachschub für unsere Bestenliste, denn mein aktueller Favorit in dieser Preisklasse, das Harman Kardon FLY ANC (Testbericht), ist wohl nicht mehr erhältlich. Der Vorgänger des Sony WH-CH720N, das Sony WH-CH710N (Testbericht) war zwar schon gut, aber das Harman Kardon eben doch noch mal um einiges besser. Die große Schwester Sony WH-XB910N (Testbericht) dürfte vielen aber schon wieder zu teuer sein. Jetzt ist die Frage, ob das Sony WH-CH720N diese Lücke in unserer Bestenliste füllen kann oder nicht.
Wie ich genau teste und worauf ich dabei so achte, habe ich hier im Detail beschrieben (Link zum Artikel). Natürlich bewerte ich auch solche Sachen wie Verarbeitungsqualität, Konnektivität mit Android und iOS, Tragekomfort usw. Am Ende schreibe ich auf, was ich gut finde, was ok und was ich nicht gut finde. Wie immer sind das meine ganz persönlichen Eindrücke und gerade der Klang, aber auch die Akkulaufzeit hängt extrem vom eigenen Nutzungsverhalten und Hörgewohnheiten ab. Das auch mit einer der Gründe, warum wir unsere Testberichte eher kurz halten, denn niemand elend lange Texte lesen und daher konzentrieren wir uns auf besonders erwähnenswerte Merkmale.
Erhältlich ist das Sony WH-CH720N ANC Headset in weiß, schwarz oder schwarz bei Amazon* zum Preis von 119,99 Euro.
Was ich gut finde:
Im Lieferumfang des Sony WH-CH720N ist das Headset an sich, ein (sehr) kurzes USB Typ-C Ladekabel, ein 3,5 mm Klinkenkabel und eine deutsche Kurzanleitung. Was mir hier fehlt, habe ich weiter unten beschrieben. Die Verarbeitung des Sony WH-CH720N gut. Das Kopfband ist rundum mit Kunstleder bezogen, was den Tragekomfort verbessert. Die drehbaren Ohrmuscheln haben weiche Ohrpolster, die aber leider nicht wechselbar sind. Die Längenverstellung bietet eine Rasterung und einen weiten Verstellbereich. Faltbar ist das Headset nicht, worauf ich ebenfalls weiter unten eingehen werde.
Die optischen Veränderungen sieht man bei den Ohrmuscheln am deutlichsten. Nicht mehr so rund, sondern eher kantig, um der neuen Designsprache von Sony gerecht zu werden. Gefällt mir persönlich sehr gut. Auf der Außenseite beider Ohrmuscheln sind die beiden Mikrofone für das ANC gut sichtbar. Links die die 3,5 mm AUX-In Buchse, die USB-C Buchse zum Laden und die Power- bzw. Bluetooth-Taste. Auf der rechten Seite die ANC-Taste und die 3-teilige Tastenreihe mit den beiden Lautstärke-Tasten und der Multifunktionstaste. Die Lauter-Taste ist dabei durch eine Art „Pickel“ deutlich von den Tasten zu unterscheiden. Die mittlere Multifunktionstaste hat eine längliche Erhebung, die ebenfalls gut tastbar ist. Die Leiser-Taste hat keinerlei Markierung, ist aber trotzdem gut zu unterscheiden, weil die NFC Taste minimal aus dem Gehäuse heraus steht und dann noch etwas abseits platziert wurde. Eine Bedienung per Touch ist nicht vorgesehen. Die Markierungen für die linke und die rechte Seite ist sonytypisch jeweils ein kleiner Punkt im inneren des Bügels. Dabei ist die linke Seite mit einem weißen „L“ markiert und rechts mit einem roten „R“.
Der Tragekomfort ist selbst für mich als Brillenträger sehr gut weil sehr angenehm, was den weichen Ohrpolstern aus Kunstleder geschuldet ist. Im Sommer wird es darunter zwar etwas warm, aber selbst nach vielen Stunden drückt da nichts und durch die weiten Verstellbereiche des Kopfbügel, den dreh- und kippbaren Ohrmuscheln, sollte jeder Kopf seine passende Position finden. Der Druck ist perfekt der Kopfbügel ist perfekt ausbalanciert. Nicht zu fest, aber auch nicht zu locker, so dass man mit dem Sony WH-CH720N auch mal auf das Laufband kann. Das Headset ist zwar jetzt nicht offiziell vor Feuchtigkeit geschützt, aber Schwitzen oder auch mal ein Regenschauer sollten kein Problem darstellen.
Im Inneren werkeln nach wie vor die Treiber mit einem Durchmesser von 30 mm. Dazu ein adaptives ANC, eine Spezialität von Sony, welche anhand der aktuellen Situation die Stärke des ANC automatisch anpasst. Das Bluetooth aktualisiert auf Version 5.2, aber nach wie vor keine hochwertigen Codecs, was auch wieder weiter unten angesprochen werden muss. NFC wurde gestrichen, hatte aber nur beim erstmaligen Verbinden mit einem Androiden eine Rolle gespielt und damit ist das Fehlen verschmerzbar. Dank Multipoint (was ist das?) können zwei Geräte gleichzeitig verbunden werden. Klingt das Handy, wird am Tablet die Wiedergabe des Videos gestoppt. Macht im Alltag echt Sinn und vor allem flexibel. DSEE (Digital Sound Enhancement Engine) ist dafür da, dass Audiodateien hochskaliert werden. Mit 360 Reality Audio gibt es bei ausgewählten Apps wie Tidal echten Rundum-Sound auf die Ohren.
Als App kommt auch beim Sony WH-CH720N die bekannte und vor allem ausgereifte App Headphones Connect (Android / iOS) zum Einsatz. Das Verbinden ist eine Sache von Sekunden und dann kann es auch schon losgehen. Auf der Startseite die wichtigsten Funktionen wie verbundene Geräte, aktueller Titel und der aktuelle Status des ANC. Unter dem Reiter „Sound“ gibt es einen ausgewachsenen Equalizer mit etlichen Voreinstellungen und der Möglichkeit mehrere eigene Presets zu speichern. Auch das Setup von 360 Audio wird hier vorgenommen. Dort unter anderem die Möglichkeit die Ohren per Foto zu analysieren, womit dann der Sound optimiert wird. Was da dann genau optimiert wird, kann ich nicht sagen, aber Sony ist der Meinung, dass die Form der Ohren bzw. Wangen eine Rolle beim Klang spielt. Nehme ich jetzt mal so hin, denn egal ob ich die Form der Ohren analysiert habe oder nicht, hat sich am Klang eigentlich nichts verändert. Zumindest konnte ich ehrlich gesagt keinen Unterschied heraushören. Dazu kann man in der App noch die Sprachassistenten konfigurieren, Updates installieren oder auch den Standby steuern.
Die Akkulaufzeit soll bis zu 35 Stunden betragen, wobei aber nicht ersichtlich ist, ob das mit aktiven ANC gemeint ist oder nicht. Wie auch schon beim Vorgänger war bei mir, mit aktivierten ANC, nach 31 Stunden und 36 Minuten Schluss und damit minimal besser. Die Kapazität scheint also gleich geblieben zu sein, aber beim Schnellladen hat Sony eine Schippe draufgelegt. Beim Vorgänger reichten 10 Minuten Aufladen für eine Stunde Musikwiedergabe. Beim Sony WH-CH720N reichen jetzt nur noch 3 Minuten für eine 58 Minuten Musikwiedergabe. Allerdings kann man während des Ladevorgangs das Headset nicht nutzen.
Die Frage aller Fragen bei einem Sony betrifft das ANC. Auch beim Sony WH-CH720N ist es adaptiv ausgelegt, erkennt also, was man gerade macht und passt die Stufe des ANC an. Das ist echt genial und wenn man es mal erleben durfte, dann möchte man es nicht mehr missen. Ich sitze gerade am Tisch und schreibe diesen Artikel. Das Headset steht auf „Verweilen“ und damit einem leichten ANC, welches auf Wunsch per Taste aber auch auf Ambient umgeschaltet werden kann, um noch etwas von der Umgebung mit zu bekommen. Sobald ich aufstehe und laufe, schaltet das Headset automatisch eine Stufe höher und es wird sehr ruhig um mich herum. Wer möchte, kann bestimmte Stufen des ANC auch bestimmten Orten zuordnen. So ist für die Feuerwache der Ambient-Modus vorgesehen und zu Hause nur ein leichtes ANC. Vorbeifahrende Autos sind zwar noch zu hören, aber das auch nur, wenn man sehr leise hört. Der Staubsauger kommt zwar noch durch, genauso die Kaffeemaschine oder der Fön meiner Frau, aber deutlich reduziert. Zwar nicht so perfekt wie beim Sony WH-1000XM5 (Testbericht), aber das spielt halt auch preislich in einer ganz anderen Liga. Für den Alltag ist das ANC des Sony WH-CH720N ideal, auch wenn ein minimales Rauschen nicht wegzudiskutieren ist.
Und wie klingt das Sony WH-CH720N? Ordentlich. Reißt mich mit seinem eher basslastigen Klangcharakter jetzt nicht direkt vom Hocker, wird aber der breiten Masse sicher gefallen, da auch die Höhen mitgezogen werden. Die Mitten dazwischen minimal unterrepräsentiert, was man vor allem bei Adele heraushören kann. Da fehlt es etwas an Substanz und Fülle, aber es passt irgendwie zum Gesamtbild. Eine ordentliche Bühne mit einer guten Tiefe des Raumes lässt auch schon Spielfreude aufkommen. Das Sony kann zwar nicht extrem laut, aber selbst bei maximaler Lautstärke verzerrt da nichts. Egal ob bei den Bässen oder Höhen. Gefällt jetzt dem Einen oder Anderen vielleicht nicht so dolle, aber genau so muss das. Was hilft eine extrem hohe Lautstärke, wenn die Bässe vermatschen und sich die Höhen kreischend und Übersteuernd mitten ins Gehirn bohren? Wer das gut findet, muss sich wohl anderweitig umsehen. Mir gefällt der Klang, auch wenn das Harman Kardon FLY ANC (Testbericht) insgesamt luftiger und harmonischer klingt. Ist halt auch teurer. Selbiges trifft auch für das Sony WH-XB910N (Testbericht) zu.
Bei Telefonaten gibt es an der Klangqualität nichts zu bemängeln. Man selbst wird sehr gut verstanden und hört sein Gegenüber ebenfalls sehr gut. Alles ohne Rauschen oder starke Nebengeräusche.
Was ich nicht gut finde:
Mittlerweile ist in der Preisklasse des Sony WH-CH720N, aber schon weit darunter, ein Case für den Transport Pflicht. Selbst ein einfaches Säckchen aus Stoff ist schon mal besser als gar keins. Warum kann man das Sony WH-CH720N nicht zusammenklappen? Auch das ist ein Feature, welches ebenfalls schon bei Headsets für unter 50 Euro völlig normal ist. Das Sony ist nicht faltbar und macht es für unterwegs unnötig sperrig, zumal dann auch Case kleiner und damit günstiger ausfallen würde. Das beim Sony WH-CH720N, genau wie beim Vorgänger Sony WH-CH710N (Testbericht), die Trageerkennung fehlt muss man ebenfalls so hinnehmen. Leider ist das Sony Headset nach wie vor nicht in der Lage, während des Ladevorgangs genutzt werden zu können. Strom dran, Musik aus.
Und dann wäre da die Haptik des Sony WH-CH720N. Genau wie beim Vorgänger Sony WH-CH710N (Testbericht) besteht das Headset komplett aus Plastik und dieses fühlt sich leider auch genauso an. Das exakt gleichteure Edifier W860NB (Testbericht) ist auch komplett aus Plastik gefertigt, fühlt sich aber deutlich wertiger an, weil es schlicht zu leicht ist. Mit 187 g ist es nochmals 37 Gramm leichter geworden als schon der sehr leichte Vorgänger und 103 g leichter als das Edifier und das fühlt man auch. Aber eben nicht im positiven Sinne, weil auf Reisen schön leicht, sondern billiges Plastik. Dabei ist das Sony WH-CH720N, wie weiter oben bereits beschrieben, alles andere als schlecht verarbeitet ist.
Schade ist auch, dass Sony beim Sony WH-CH720N auf die Implementierung von hochwertigen Codecs verzichtet. Gerade weil man mit LDAC (was ist das?) einen eigenen hochauflösenden Codec hat. Gibt es erst im nächst höheren Modell Sony WH-XB910N (Testbericht), aber natürlich muss auch erwähnt werden, dass das Smartphone diesen Codec unterstützen muss, womit alle iPhones schon mal raus sind. Außer AAC und ALAC gibt es da nichts. Aber es ist in dieser Preisklasse einfach Pflicht, das wenigstens der hauseigene Codec mit an Bord ist.
Fazit:
Ist das Sony WH-CH720N empfehlenswert? Ja. Es ist ein Sony und dadurch Qualitäten wie die sehr gute Akkulaufzeit, eine echte Schnellladefunktion, ein richig gutes ANC, welches sich an die Umgebung anpasst, eine wirklich gute App und ein angenehmer Klang, der den Massen gefallen wird. Mir etwas zu Bassbetont, aber dank des tollen Equalizer kann dem ja nachgeholfen werden. Das alles für unter 120 Euro? Dafür gibt es das Gütesiegel. Passt Auch der Platz in unserer Bestenliste.
Offenlegung: Mobi-test.de hat dieses Gerät auf Anfrage vom Hersteller als Leihgabe erhalten. Unsere Berichterstattung ist davon nicht beeinflusst und bleibt gewohnt neutral und kritisch. Der Artikel ist, wie alle anderen auf unserem Portal, unabhängig verfasst und unterliegt keinerlei Vorgaben Dritter; diese Offenlegung dient der Transparenz.
Mit meinen Tests will ich den "normalen" Interessenten davor bewahren, sein hart verdientes Geld für Müll auszugeben. Denn leider ist es Fakt, das nicht alles Gold ist, was glänzt. Daher gibt es von mir kein Technik-Chinesisch oder Marketing Gelaber, sondern Klartext.
Wenn ihr Fragen habt, dann verfasst einen kurzen Kommentar und wir versuchen diesen zu beantworten.
